Über die Gefahr einander misszuverstehen, denken wir normalerweise erst dann nach, wenn’s passiert ist. Dann kommt es zu Fragen, wie „Aber ich habe es doch deutlich genug gesagt oder?“ „Wie kann man das nur missverstehen?“ „Warum bekommt der das immer in den falschen Hals?“ Missverständnisse, die bewusst werden, machen eines deutlich: Wir bewältigen unseren Alltag nur, indem wir grundsätzlich darauf vertrauen, dass der Andere uns versteht – und wir ihn auch. Wir ersetzen Wissen öfter durch solche Grundannahmen als uns klar ist. Dann gehen wir auseinander und glauben uns verstanden zu haben, nur um kurze Zeit später festzustellen, dass dem nicht so ist …

Missverständnisse passieren Tag für Tag. Sie sind ein natürlicher Bestandteil unseres täglichen Lebens und so selbstverständlich, dass sie uns häufig nicht oder nur am Rande bewusst werden. Das liegt zum Teil daran, dass viele „kleine“ Missverständnisse keine dramatische Folgen haben. Warum also groß darüber nachdenken? Mit einem Augenrollen oder Schulterzucken tun wir hier vieles ab.

Dennoch sind Missverständnisse für die Kommunikation potentiell hinderlich, denn sie beruhen auf einer falschen Grundannahme: Man glaubt und vertraut darauf, sich über einen Sachverhalt korrekt verständigt zu haben. An diesem Punkt unterscheidet sich das Missverständnis vom Unverständnis, das auf mangelnde Verständigungsmöglichkeiten oder -voraussetzungen zurück geht. Eingeschränkte Hörfähigkeit, Sprachschwierigkeiten, Übertragungsstörungen, mangelnde Bildung oder Grenzen des Denkvermögens führen ebenfalls zu Kommunikationsproblemen, werden aber typischerweise schneller erkannt, weil die Partner der Kommunikation oft bereits bei der Verständigung merken, dass von der Gegenseite nicht die Signale kommen, die zu den Erwartungen des Absenders der Botschaft passen würden. Missverstehen hat andere Gründe, aber nicht diese.

Missverständnisse gehören zur Kommunikation. Auch mit der klügsten Kommunikationsstrategie wird es nicht immer gelingen, sie zu verhindern. Also muss man Missverständnisse aushalten. Ärgerlicherweise gehören sie zur Freiheit des Individuums — zu seiner Freiheit, die Welt mit eigenen Augen zu sehen und zu interpretieren. Nach eigenen Regeln und eigenen Kriterien. Im besten Fall kann man Missverständnisse reduzieren, indem man sich soweit wie möglich in sein Gegenüber hinein versetzt und die Motivationslage des Anderen zu verstehen sucht. Vor zufälligen Missverständnissen und beabsichtigten „Missverständnissen“ bewahrt das freilich nicht.

Ohne die Bereitschaft, Missverständnisse und Wissenslücken zu akzeptieren, wäre unsere Kommunikation oft viel zu umständlich und würde zu lange dauern. Das Paradebeispiel in dieser Hinsicht sind Journalisten. Deren Handwerk besteht zu einem wesentlichen Teil darin, möglichst viel aktuelle Information in möglichst kurzer Zeit zu vermitteln und dabei dennoch möglichst wenige Missverständnisse und Verständnisfehler beim Zuhörer oder Leser zu produzieren. Eine schwierige Kunst, die allein schon die Existenz eines eigenen Berufsstandes rechtfertigt. Übrigens soll das nicht heißen, Journalisten seien ein Vorbild für interessenfreie, neutrale Kommunikation. Keineswegs. Aber man erwartet von ihnen Eindeutigkeit, Prägnanz, Kürze und Klarheit — ob nun ideologisch im Sinne des Lesers oder nicht.

Missverständnisse gehören auch deshalb zur Kommunikation, weil für klärende Rückfragen oft keine Zeit bleibt. Solange wir eine Aussage akustisch klar hören bzw. optisch klar erkennen, die einzelnen Begriffe wiedererkennen, eine Relevanz für uns darin sehen und sich ein „logischer“ Zusammenhang anbietet, sparen wir uns Grundsatzdiskussionen. Wir glauben verstanden zu haben, was gemeint war. Alles weitere heben wir uns auf für den Fall, dass etwas schief geht … Oder, wie Fiehler es auf den Punkt bringt:

„Kommunikation hat Versuchscharakter.“

(Verständigungsprobleme und gestörte Kommunikation. Opladen, 1998, S. 7)

Das Wissen um die Allgegenwärtigkeit drohender Missverständnisse sollte freilich nicht zur Gleichgültigkeit führen. Statt dem Motto „Augen zu und durch“ sollte hier eher der sportliche Ehrgeiz gelten, Missverständnisse ebenso zu vermeiden wie unnötige Schläge beim Golf. Missverständnisse sind ein Handicap, an dem man sehr gut und erfolgreich arbeiten kann. Ein „Par“ zu spielen, ist machbar — auch in der Kommunikation. Wichtig ist, dass man die Spielregeln des Missverständnisses kennt und sich danach verhält.

Die notwendigen Tools, die nötig sind um Missverständnisse in der Kommunikation zu vermeiden bzw. zu verringern, können Sie sich in meinen Workshops oder in einem persönlichen Training aneignen.