Fußballer, die einen Elfmeter zu versenken haben, schießen ungefähr in einem Drittel der Fälle in die Mitte des Tors, in einem Drittel nach links und in einem Drittel nach rechts. Was tun die Torhüter? Sie hechten zu 50 % nach links und zu 50 % nach rechts. Jedenfalls bleiben sie nur selten in der Mitte stehen – und das, obwohl ein Drittel aller Bälle dort landet. Warum?

Weil es viel besser aussieht und sich weniger peinlich anfühlt, auf die falsche Seite zu hechten, als wie ein Trottel stehen zu bleiben und den Ball links oder rechts vorbeisegeln zu sehen.

Das ist der Action Bias,(Überaktivität):

Action Bias ( Handlungsneigung oder Handlungstendenz) bezeichnet in den Verhaltenswissenschaften die Neigung, auch dann aktiv zu handeln, wenn das Handeln voraussichtlich nutzlos, möglicherweise sogar schädlich ist. Aktiv werden, selbst wenn es nichts nützt. Der Action Bias kommt besonders dann zum Tragen, wenn eine Situation neu oder unklar ist.  Ein Arzt hat einen Patienten mit einem unklaren Krankheitsbild vor sich. Vor die Wahl gestellt, ob er eingreifen soll oder nicht, also ein Medikament zu verschreiben oder abzuwarten, wird tendenziell die aktive Variante gewählt. Wir brauchen ihm nicht mal zu unterstellen er tue dies aus finanziellen Überlegungen – es ist einfach der Action Bias, der ihn dazu bewegt. Warum gibt es in Action Bias? In einer Jäger–und–Sammler Umgebung, für die wir optimiert sind, zahlt sich Aktivität viel stärker aus als Nachdenken. Blitzschnelles reagieren war in der Vergangenheit überlebenswichtig. Nachdenken konnte tödlich sein. Wenn unsere Vorfahren am Waldrand eine Silhouette auftauchen sahen, die wie ein Säbelzahntiger aussah, setzen Sie sich nicht wie Rodins „Denker“ auf einen Stein, um taxonomische Überlegungen anzustellen. Sie hauten ab, und zwar schleunigst. Wir sind alle Nachkommen dieser Schnellreagierer, die lieber einmal zu oft weggerannt sind. Doch unsere heutige Welt ist anders – sie belohnt scharfes Nachdenken gegenüber Aktivität. Die Umstellung fällt uns schwer. Sie erhalten keine Ehrung, keine Medaille, keine Statue mit ihrem Namen drauf, wenn Sie durch Abwarten genau die richtige Entscheidung treffen – für das Wohl der Firma, des Staates, der Menschheit. Haben Sie hingegen Entschlossenheit demonstriert, rasch gehandelt, und eine Situation hat sich verbessert (wenn auch vielleicht rein zufällig) – dann stehen die Chancen nicht schlecht, dass sie auf dem Dorfplatz geehrt werden oder zumindest Mitarbeiter des Jahres werden. Die Gesellschaft zieht gedankenloses Handeln dem sinnvollen Abwarten vor. Fazit: In unklaren Situation verspüren wir den Impuls, etwas zu tun, irgendetwas – egal ob es hilft oder nicht. Danach fühlen wir uns besser, selbst wenn sich nichts zum Besseren gewendet hat. Oft ist das Gegenteil der Fall. Kurzum, wir handeln tendenziell zu schnell und zu oft. Daher: wenn die Situation unklar ist, unternehmen Sie nichts, gar nichts, bis Sie die Situation besser einschätzen können. Halten Sie sich zurück. „Das ganze Unglück der Menschen besteht darin, dass sie nicht in der Lage sind, ruhig in ihrem Zimmer zu bleiben“, schrieb schon Blaise Pascal. Zu Hause, in seiner Schreibstube.