Ein Esel steht in der Mitte zwischen einem großen Ballen Heu und einer großen Trinkquelle.
Der Esel ist verzweifelt, weil er hungrig ist, er ist wegen der großen Hitze aber zugleich auch sehr durstig. Er geht ein paar Schritte in die eine Richtung, nur um sogleich wieder in die andere Richtung umzukehren. Wasser oder Heu? Wasser oder Heu?
Und während er verzweifelt hin und herstapft und sich nicht entscheiden kann, wird es immer heißer und heißer, die Sonne brennt herab und beginnt ihn zunehmend zu schwächen.
Doch er kann sich weiterhin nicht entscheiden und trabt auf der Stelle – bis er am Ende durch die Hitze verhungert und verdurstet ist und tot umfällt.
Armer Esel.
Fisch oder Fleisch?
Wer die Wahl hat, hat die Qual. Das ist ein guter Grund, sich schnell zu entscheiden, denn warum sollten wir länger als unbedingt nötig in einem unangenehmen Zustand verharren? Und unangenehm ist es auf jeden Fall, unentschieden zu sein. Solange du dich nicht für A oder B entschieden hast, kannst du dich nicht entspannen–du hängst sozusagen im Spannungsfeld zwischen A und B fest. Entscheidungen zu treffen fällt manchmal sehr schwer. Und manchen fällt es sogar immer schwer, sich zu entscheiden, auch wenn es um an sich einfache Entscheidungen geht. Entweder oder? Fisch oder Fleisch? Solange die Würfel nicht gefallen sind, sind wir hin und her gerissen. Immer diese Entscheidungen: Entweder „entweder oder“ oder „und“ oder „oder“ oder „weder noch“. Gäbe es Weltmeisterschaften in Unentschiedenheit, wäre eine gute Freundin von mir Anwärterin auf die Goldmedaille. Sie hat zwei Kinder und muss ständig nicht nur für sich selbst, sondern gleich für die ganze Familie Entscheidungen treffen: Impfen oder nicht? Homöopathie oder Antibiotika? Süßes zum Nachtisch oder striktes Zuckerverbot? Sandalen oder besser Flipflops für den Sommer? Und auch wenn es um Entscheidungen geht, die sie selbst betreffen, ist sie ständig verunsichert. Im Augenblick überlegt sie beispielsweise, ob sie ihren Bürojob hinschmeißen und sich von ihrem Mann trennen soll oder lieber nicht. Genau genommen überlegt sie das allerdings nicht nur im Augenblick, sondern schon seit über fünf Jahren. Fünf Jahre im Schwebezustand zwischen Ja und Nein, stell dir das nur einmal vor! Warum ist es nur so schwer, sich zu entscheiden? Zum einen liegt das an der Angst, die falsche Abzweigung zu nehmen. Wenn du leicht zu verunsichern bist, fehlt dir der Mut, auch mal im Graben zu landen. Und falls du Perfektionist bist, wird das Ganze noch komplizierter: Überhöhte Leistungsansprüche können leicht dazu führen, dass man irgendwann wie gelähmt auf dem Sofa sitzt und zu gar keiner Entscheidung mehr fähig ist. Ein weiteres Problem ist das ständige Überangebot. Bei uns um die Ecke gibt es einen dieser Mega-Supermärkte, in die man ohne Kompass und „Wo-ist-welches-Regal-Führer“ gar nicht erst reingehen sollte. Manchmal stehe ich vor den Brotaufstrichen–ratlos wie auf einem fremden Planeten. Selbst wenn ich genau weiß, dass es Erdbeermarmelade sein soll, gibt es immer noch mindestens neun verschiedene Sorten. Ist es wirklich nötig, dass wir für den Einkauf einer Handvoll Lebensmittel den halben Nachmittag verschwenden, nur weil wir uns im Konsumdschungel nicht mehr zurechtfinden? Oder dass wir zuerst ein paar Abende lang im Internet nach Testberichten recherchieren müssen, bevor wir uns guten Gewissens eine von 50 angebotenen elektrischen Zahnbürsten kaufen können? (Ich hab mir diese Zahl übrigens nicht ausgedacht, sondern den Suchbegriff „elektrische Zahnbürste“ mal bei einem großen Online-Händler eingegeben. 50 sind es mindestens!) Beim Esel aus der Geschichte geht es nicht um eine Marmelade oder eine neue Zahnbürste, sondern darum, sich überhaupt zu entscheiden. Dem armen Esel gelingt das nicht, obwohl er zwei Möglichkeiten geboten bekommt. Statt sich jedoch für eine davon zu entscheiden, zögert er so lange, bis alle Chancen zu überleben von alleine erledigt haben. Und genau das Gleiche kann dir leider auch leicht passieren. Denn selbst wenn du nicht entscheidest, entscheidest du. Du entscheidest dich dafür, nicht zu handeln. Und dann fährt der Zug eben ohne dich ab. Oder die anderen entscheiden für und über dich, was auch nicht angenehmer ist. Daher ist es immer noch besser, unvollkommene Entscheidungen zu treffen, als ständig nach vollkommenen Entscheidungen zu suchen, die es sowieso nie geben wird. Entscheidungshilfen für Unentschlossene Unentschlossenheit ist eine Form von Grübeln. Wenn du ewig nachdenkst und Pro und Contra gegeneinander abwägst, hat dein Kopf viel zu tun. Doch leider führt das nicht zu Seelenruhe, sondern nur in die Verzweiflung. Es ist ein Irrtum zu glauben, dass wir bessere Entscheidungen treffen, wenn wir viel Zeit zum Nachdenken haben. Untersuchungen mit Profi-Golfspielern haben beispielsweise gezeigt, dass sie immer dann am besten spielen, wenn sie keine Zeit haben, über ihren Schlag nachzudenken. Andere Studien zeigen, dass Entscheidungen, die aus dem Bauch getroffen werden, auch langfristig gesehen meist die besten sind. Die folgenden vier Punkte helfen dir, schneller und besser zu entscheiden:
Herz statt Kopf
Oft wollen wir „vernünftig“ entscheiden. Das Dumme ist nur, dass wir so viele Informationen sammeln können, wie wir wollen–was die Zukunft bringt, weiß unser Kopf trotzdem nicht. Unsere Intuition ist da wesentlich verlässlicher. Statistiken helfen nur in Einzelfällen weiter. Wenn du aber nach einer Entscheidung ein gutes Gefühl hast, zeigt das, dass du genau auf dem richtigen Weg bist.
Erträume dir zwei Wirklichkeiten
Stelle dir vor, wie deine Zukunft aussieht, wenn du dich für A entscheidest. Und mache das Gleiche dann noch einmal für Entscheidung B. Versuche dir möglichst detailliert auszumalen, wie sich deine Entscheidung auf dein Leben auswirkt. Sieh dich selbst in der Zukunft und stell dir die Szene genau vor: Wie wirst du sein, wie wirst du dich fühlen, wenn du diese oder die andere Entscheidung getroffen hast? Visualisiere die beiden Varianten deiner Zukunft.
Just do it „Tu es einfach“
Oder besser gesagt: „Tu einfach irgendwas!“
Es geht nicht um Leben und Tod. Letztlich ist es gar nicht so wichtig, was du tust. Jeder Job ist der richtige, wenn du achtsam und entspannt bist. Das Gleiche gilt für Partner, Kissenbezüge oder Urlaubsziele. Es ist besser, entspannt und heiter am heimischen Baggersee zu liegen, als schlecht gelaunt an einem weißen Karibikstrand. Es ist gesünder, Busfahrer zu sein und ein Liedchen zu pfeifen, als Topmanager kurz vor dem Burnout zu sein. Nicht „was“ du tust, entscheidet, sondern „wie“ du tust, was du tust.
Dein Weg, deine Freiheit!
Es ist dein Weg, den du gehst, und nur du alleine entscheidest, welche Abzweigung du nimmst. Manchmal zeigt sich im Nachhinein, dass die Entscheidung gut war, und manchmal war sie vielleicht auch schlecht. Macht nichts. Das ist kein Grund, jede Entscheidung nach Kurzem wieder infrage zu stellen („Vielleicht wäre rot doch besser gewesen …“). Gehe mitfühlend mit dir um. Auch eine falsche Entscheidung ist letzlich eine gute Entscheidung. Sie bringt dich weiter und erweitert deinen Horizont, und das ist allemal besser, als sich vom Leben lähmen zu lassen. Wenn du dich mal wieder nicht entscheiden kannst, versuch’s mal mit diesem Trick: Wirf eine Münze. Natürlich sollst du dich nicht sklavisch an das Zufallsurteil klammern, sondern deine Reaktion beobachten: Sagt deine innere Stimme „Na gut, das geht schon in Ordnung …“ dann ist das meist die richtige Entscheidung. Sagt sie aber: „Hm, ich weiß nicht recht, sollte ich nicht doch lieber …“, dann geh davon aus, dass dem Münzurteil zu folgen die falsche Entscheidung wäre. Dein Unterbewusstsein weiß nämlich meist recht gut, was richtig und was falsch ist. Und mit diesem kleinen Trick bringst du es dazu, es dir auch zu verraten.“
Füttere den weißen Wolf: Weisheitsgeschichten, die glücklich machen von Ronald Schweppe, Aljoscha Long
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