Wie fühlen Sie sich?” ist meistens die klassische Frage die der Coach seinem Klienten zu Beginn einer jeder Sitzung stellt. Eine Frage, die von dem meisten Menschen eher belächelt wird. Dabei steckt eine Menge dahinter. Wie oft schon fragen uns unsere Mitmenschen im Alltag, wie wir uns gerade fühlen? Und damit meine ich nicht die klassische “Wie geht´s?”-Phrase, sondern eine wirklich ehrlich gemeinte Frage nach der Gefühlswelt einer anderen Person. Das geschieht nicht wirklich oft. Und warum nicht? Weil wir selber meist nicht wissen, wie wir uns fühlen. Wir verstehen unsere Gefühle nicht und verdrängen sie oft, so gut wir können. Und über sie reden wollen wir schon gar nicht!

Das schwierige Verhältnis zu unseren Gefühlen

Warum haben wir so ein schwieriges Verhältnis zu unsern Gefühlen? Die Antwort liegt, wie so oft, in unserer Kindheit. Eltern werden von der Gesellschaft dazu gedrängt, ihre Kinder zum “gut” zu sein zu erziehen. Es gibt einen richtigen Weg und einen falschen und wenn wir den falschen gehen, dann sind wir “böse”. Die Meisten von uns haben gelernt, dass Weinen ein Zeichen von Schwäche ist, dass unsere Gefühle nicht wichtig sind, dass wir sie lieber verstecken sollten, um nicht verletzt zu werden, oder um nicht als schwach zu gelten.

Wenn Gefühle in der Kindheit nicht gewürdigt und als nicht berechtigt angesehen wurden, dann hinterlässt dies seine Spuren. Wir verstehen unsere Gefühle einfach nicht mehr richtig und können nichts mit ihnen anfangen. Und da es keine perfekten Eltern gibt und die ganze heutige Gesellschaft versucht, uns diese Glaubenssätze einzutrichtern, haben viele von uns dieses Problem. Wir haben unsere Gefühle so lange unterdrückt, bis das Unterbewusstsein die Emotionen übernommen hat und wir einfach aufgehört haben, zu fühlen. Das heißt, dass wir unsere Gefühle nicht mehr auf einer bewussten Ebene erleben.

Gefühle machen uns lebendig

Wir werden gefühlskalt. Natürlich ist das ein Schutz davor, verletzt zu werden. Wenn wir nichts fühlen, dann kann uns auch niemand mehr weh tun. Aber all das Gute bekommen wir leider auch nicht mehr mit. Wir leben in einer Leere und fühlen uns nicht mehr lebendig. Und diese Leere ist noch viel unerträglicher, als der schlimmste Schmerz. Wir leben zu sehr in unserem Kopf, spüren unseren Körper nicht mehr, können nicht mehr richtig loslassen.

Dabei sind unsere Gefühle unser Leitsystem. Sie geben uns immer Feedback darüber, ob wir uns auf dem richtigen Weg befinden. Wenn sich etwas gut anfühlt, dann sollten wir dies weiterhin tun. Fühlt sich etwas schlecht an, dann sollten wir es loslassen. Unsere Gefühle machen uns lebendig. Nur wenn wir fühlen, dann sind wir auch am Leben. Deshalb sind hier 5 Tipps, die dir dabei helfen können, wieder zu fühlen und deine Gefühle zu verstehen.

Achtsamkeit üben

Wenn wir unsere Gefühle und dadurch auch uns selber besser verstehen wollen, dann müssen wir anfangen, uns selber zu beobachten. Dazu müssen wir uns unsere Gedanken immer mehr bewusst machen. Welche Gedanken lösen welche Gefühle aus? Teste es aus! Zum Beispiel indem du verschiedene positive und negative Sätze auf ein Blatt Papier schreibst. Achte darauf, was diese Sätze in dir auslösen. Sobald wir unseren Gefühlen Aufmerksamkeit schenken, können wir sie auch besser spüren. Vor allem starken Emotionen sollten wir große Beachtung schenken und uns fragen, was hinter ihnen steckt.

Auch auf den eigenen Körper zu achten ist wichtig. Wie reagierst du mit deinem Körper auf bestimmte Situationen? Welche Gedanken lösen welche Reaktion in deinem Körper aus? Achte auch darauf, während du die Sätze auf das Papier schreibst, oder vor dich hin sprichst. Besonders effektiv ist es, sich vor einen Spiegel zu stellen und die verschiedenen Affirmationen dabei laut auszusprechen.

Bewusst werden

Um uns unseren Gefühlen immer mehr bewusst zu werden sollten wir uns immer wieder fragen: Wie fühle ich mich? Und dann nach einer ehrlichen Antwort suchen, indem man in sich hinein spürt. Dabei kann ein Reminder helfen. Zum Beispiel könntest du dir einen Alarm auf deinem Handy stellen, der dich immer wieder daran erinnert. Noch praktischer wäre eine App, die das übernimmt. Ich persönlich habe ein Hintergrundbild auf meinem Handy, welches mich immer wieder daran erinnert, innezuhalten und mich zu fragen, wie ich mich gerade fühle.

Diese Frage kann man dann in Gedanken beantworten, oder man schreibt sie auf. Aufschreiben ist natürlich immer besser, da man so seine Gedanken super ordnen kann und Struktur hinein bringt. Aber das geht natürlich nur, wenn man gerade genug Zeit und Stift und Papier zur Hand hat. Ansonsten reicht das Spüren und Benennen der Gefühle vollkommen aus.

Fragen stellen

Sich selber immer wieder Fragen zu stellen ist eine der besten Methoden überhaupt, um sich selber besser kennen zu lernen. Warum habe ich verlernt zu fühlen? Was könnte schlimmstenfalls passieren, wenn ich wieder anfange, starke Gefühle zu spüren? Was sind die Vorteile davon, gefühlskalt zu sein?

Sobald wir herausgefunden haben, warum wir überhaupt verlernt haben zu fühlen, können wir direkt gegen die Ursache vorgehen. Meist haben wir vor irgendetwas Angst. Davor verletzt zu werden, von anderen als schwach gesehen zu werden oder davor, einfach wir selbst zu sein. Wenn wir uns bewusst werden, wovor wir so eine große Angst haben und warum, dann können wir uns selber diese Angst nehmen, indem wir Gründe dafür finden, warum wir sie nicht zu haben brauchen.

Gefühle zeigen und rauslassen

Wenn man seine Gefühle unterdrückt, den führt dies zu Krankheiten und Stress im Körper. Deshalb ist es extrem wichtig, seinen Gefühlen auch mal freien Lauf zu lassen und sie anderen zu zeigen. Selbstausdruck ist notwendig, um sich zu befreien. Anderen Menschen zu sagen, was man wirklich fühlt, nimmt einem eine riesige Last vor den Schultern. Natürlich ist das leichter gesagt als getan. Für mich ist gerade dieser Punkt machmal extrem schwer. Aber sich dazu überwinden lohnt sich immer! Sobald man anfängt sein Herz auszuschütten, ist das wie eine Befreiung. Es fühlt sich einfach toll an!

Aber auch Körper bewegen, tanzen, laufen, schreien, boxen und weinen hilft unglaublich gut dabei, aufgestaute Gefühle herauszulassen. Wenn wir dies nicht ab und zu tun, platzen sie irgendwann unkontrolliert aus uns heraus. Oder wir zerbrechen daran. Auch Gefühle aufzuschreiben ist eine super gute Methode. Und vielleicht hilft es dir sogar, dich absichtlich in Situationen zu bringen, die starke Gefühle hervorrufen und diese dann auch herauszulassen. Entscheide dich dafür, deine Emotionen zu fühlen!

Sich fallen lassen

Sich richtig fallen zu lassen fällt vielen von uns oft unglaublich schwer. Damit meine ich, deine Gedanken einfach abzuschalten, die Situation nur auf Gefühlsebene zu erleben, loslassen und dich komplett hinzugeben. Dich dafür entscheiden zu fühlen, aber nicht an den Gefühlen festzuhalten. Sie einfach erleben und dann gehen lassen, durch dich fließen lassen, darin eintauchen und bewusst entscheiden, zurück in den Körper zu kommen. Oft haben wir unterbewusst große Angst vor unserem Körper und den damit verbunden Gefühlen. Wir müssen wieder lernen, unseren Gefühlen zu folgen.

Zu fühlen bedeutet lebendig zu sein. Ein Leben ohne Gefühle ist wie ein schlechter seelenloser Liebesfilm.  Denn das tolle am Menschsein ist es doch, Emotionen zu erleben, positive, aber auch negative, den Körper zu spüren und von unseren Glücksgefühlen überwältigt zu werden.