Ein alter Indianer saß mit seinem Enkelsohn am Lagerfeuer. Es war schon dunkel geworden und das Feuer knackte, während die Flammen in den Himmel züngelten.

Der Alte sagte nach einer Weile des Schweigens: “Weißt du, wie ich mich manchmal fühle? Es ist, als ob da zwei Wölfe in meinem Herzen miteinander kämpfen würden. Einer der beiden ist rachsüchtig, aggressiv und grausam. Der andere hingegen ist liebevoll, sanft und mitfühlend.”

“Welcher der beiden wird den Kampf um dein Herz gewinnen?” fragte der Junge.

“Der Wolf, den ich füttere.” antwortete der Alte.

 

 

Worauf wartest du? Ob du glücklich oder unglücklich bist, zufrieden oder unzufrieden–das ist, wie du ja längst weißt, vor allem eine Frage der Perspektive. Die äußeren Umstände lassen sich nur selten großartig verändern. Natürlich kannst du einen Schirm aufspannen, wenn es regnet, oder einen Löffel Zucker in den Kaffee tun, wenn er zu bitter schmeckt. Aber was, wenn du krank wirst oder ein nahestehender Mensch dich verletzt? Je weniger du außen verändern kannst, desto mehr musst du innen verändern; dazu gehört, dass du bewusst die Verantwortung für deine Perspektive übernehmen solltest. Nicht als moralische Pflicht oder so einen Quatsch, sondern einfach deshalb, weil es das Beste ist, was du tun kannst. Um zufrieden zu sein, genügt oft schon ein einziger Augenblick. Es gibt immer einen Punkt, an dem du aufhören kannst, die Unzufriedenheit und Frustration in dir zu nähren. Du kannst viele Jahre im Dunkeln verbringen, und dann ziehst du eines Tages den schweren Samtvorhang auf und lässt die Sonne ins Zimmer, und die Dunkelheit weicht schlagartig. Du kannst den ganzen Tag mit Jammern verbringen und abends fällt dir ein, dass der Tag eigentlich doch recht schön war, und du kannst loslassen. Letzten Sommer habe ich zwei Wochen in Griechenland verbracht, und da es sehr heiß war und ich noch zuviele berufliche Dinge im Kopf hatte war ich zu Beginn alles andere als in Urlaubsstimmung. In der zweiten Urlaubswoche jedoch saß ich nachmittags im warmen Sand und erkannte zum ersten Mal in diesem Urlaub, wie traumhaft schön diese Bucht eigentlich war, in die das azurblaue Meer mit seinen weißen Schaumkronen sich schmiegte. Und so konnte ich in diesem Augenblick endlich doch noch loslassen und dankbar sein, weshalb mir die Zeit in Griechenland letztlich in guter Erinnerung geblieben ist.

In deinem Leben voller Widerstände und Anspannungen kannst du immer zu dir finden und Glück und tiefen Frieden erfahren. Du kannst deine Sichtweise jederzeit ändern, sogar dann, wenn es schon kurz vor zwölf ist. Andererseits: Willst du es wirklich darauf ankommen lassen? Die Uhr tickt, die Zukunft ist ungewiss und dein weißer Wolf hat Hunger. Worauf also wartest du noch?“

 

 

 

 

 

Füttere den weißen Wolf: Weisheitsgeschichten, die glücklich machen von Ronald Schweppe, Aljoscha Long

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