Wohin mit meinen vielen Möglichkeiten?

Das Dilemma der Entscheidung🤷‍♀️

Entscheiden wir zu schnell, ruinieren wir unser Leben – riskieren wir zu viel, können wir auch viel verlieren. Und wer zu lange grübelt, verpennt sein Leben im Gefängnis der unendlichen Möglichkeiten. Denn extreme Gefühle können zwar kurzfristig das Entscheiden erleichtern, aber auf die Dauer erschweren sie es. Für ein gelungenes Leben brauchen wir nicht nur die seelischen Paukenschläge, sondern auch die Zwischentöne. Nicht alle Bedürfnisse sind uns gleich lieb, nicht jedes Bedürfnis gereicht uns zur Ehre. Und trotzdem sind sie da. Sie nicht zu beachten, kann zu Fehlentscheidungen führen. Solange wir davon ausgehen können, dass alles beim Alten bleibt, meiden wir das Risiko. Erst wenn eine Situation unerträglich wird – der Job immer nerviger, der Partner immer liebloser, das Kind immer frecher, der Alltag immer langweiliger und die Figur immer konturloser–, haben wir das Gefühl, die entscheidende Wende in unserem Leben herbeiführen zu müssen. Den ersten Schritt in die Freiheit, macht nur, wer etwas wagt und aus bestehenden Mustern ausbricht, wird immer wieder betont. Dafür soll man sich zum Beispiel ausmalen, wo man in einem Jahr oder in fünf oder zehn Jahren gerne wäre. Und dann soll man alles dran setzen, das gewünschte zu erreichen.

Schließlich können wir morgen alles sein, wenn wir heute nur wollen.

Das einzige, was uns angeblich einschränkt, sind unsere Ängste – und unsere Glutenallergie 😊 Doch die Wirklichkeit ist leider oft anders, als nachdenkliche Sprüche mit Bildern uns glauben machen wollen. Meist weiß man nämlich gar nicht so genau, was ein unzufrieden, unglücklich oder unruhig macht – ganz zu schweigen davon, welche Entscheidungen einen von diesem Zustand erlösen könnte. Man weiß nur eins: so wie es ist, kann es auf keinen Fall bleiben! Panisch macht man sich auf die Suche nach einem lohnenden Ziel, damit man endlich entschlossen los marschieren kann, schließlich ergeben sich dann angeblich die meisten Entscheidung von selbst. Nur wie kann es sein, dass man gar nicht weiß, welche Ziele man erreichen will? Traut man sich vielleicht einfach nicht, zu seinen wahren Wünschen zu stehen?  Motivierte Menschen, die etwas verändern wollen sind zwar voller Hoffnung, dass sie nun alle nötigen Entscheidungen treffen werden, sie müssen aber sehr schnell feststellen, dass ihnen ihre Entschlossenheit beim Entscheiden auch nicht viel hilft. Denn was auch immer sie Neues beschließen und beginnen, es gibt stets eine noch schönere Möglichkeit als die soeben Ausgewählte. Einen noch größeren Traum, der sich erfüllen ließe, wenn man nur den Mut dazu hätte. Woher soll man also wissen, dass man auf dem richtigen Weg ist? Denn das ist das Problem mit den vielen Optionen, die uns heute angeblich zur Verfügung stehen: wenn alles infrage kommt, ergibt Nichts einen Sinn. Und man kann es genauso gut bleiben lassen!

Je besser und sinnvoller wir also unsere Zeit nutzen möchten, desto mehr Zeit scheinen wir zu brauchen, um herauszufinden, welchen Möglichkeiten wir in unserem Leben den Vorzug geben wollen. Aber eine Wahl, bei der wir zu viel Zeit verlieren, führt sich selbst ad absurdum.

Zu wenig Zeit zu haben ist schlimm, doch zuviel Zeit ist schlimmer!

Je mehr wir uns zutrauen, desto mehr Möglichkeiten haben wir. Da wir aber nur ein Leben haben und in diesem Leben nur einen Bruchteil der Möglichkeiten nutzen können, vergrößern wir damit vor allen Dingen die Anzahl der Möglichkeiten, die wir verpassen. Weil wir heute so viel entscheiden können, müssen wir es plötzlich auch! Das erzeugt einen ungeheuren Druck, eine Art Lebensgestaltungsstress, die man sich nicht einmal in seiner Freizeit entziehen kann. Und immer noch halten wir es für eine Bedingung des gelungenen Lebens. Möglichkeiten kann man nutzen, keine Frage. Man kann sie aber auch verwerfen, ablehnen, ignorieren und in aller Ruhe an sich vorbeiziehen lassen. Möglicherweise führt uns genau das zur Entscheidung“

Entscheidung ohne Reue!

 

 

 

Quelle: R. Niazi-Shahabi: Mir steht alles offen, ich find nur nicht die Tür, Piper Verlag München, 2019