„Willst du was gelten, mach dich selten!“

Genau diesen Satz hörte ich mich sagen, als mich mein Sohn in einer Beziehungsangelegenheit um meine Meinung bat.

Wie oft habe ich den  Spruch:

„Mach Dich rar und du bist ein Star“

früher von meiner Oma gehört? Ich weiß es nicht. Was ich allerdings weiß, ist, dass ich jedem, der früher diesen Schwachsinn losgelassen hat, damals schon am liebsten gerne meine Meinung gesagt hätte. Auch heute hat sich meine Haltung zu diesem Spruch nicht geändert. Ich finde ihn nach wie vor voll daneben und meiner Meinung nach zeigt es, dass diese Person nicht gerade vor Selbstbewusstsein strotzt und die Wahrheit scheut wie der Teufel das Weihwasser.

Ich bin durchaus dafür, dem Handy mal eine Auszeit zu gönnen und nicht jedem, mir weniger wichtigen, Menschen sofort zu antworten, der etwas von mir will.

Die Betonung dabei liegt auf den Worten „weniger wichtig oder vielleicht sogar auf dem Wort „unwichtig“.

Genau diesen unwichtigen Menschen antwortet man nicht, wenn sie einem schreiben, ganz egal, was es ist. Würde mir eine ehemalige Klassenkameradin schreiben, sie stecke in Schwierigkeiten und es gehe um Leben und Tod, ich würde mir wahrscheinlich höchstens denken: „Liebe Anna, das ist jetzt Dein Problem, geh in dich und versuche dieses Mal deinen Kram alleine zu regeln!“

Aber wenn meine beste Freundin um vier Uhr morgens zum zwölften Mal mit mir erörtern will, warum sich ihr Mann von ihr getrennt hat, kann sie sich sicher sein, dass ich ganz Ohr bin. Weil sie mir wichtig ist.

Ich brauche keinen durchgehenden Kontakt über Telefon, WhatsApp oder ähnliches. Will ich auch nicht. Genauso will ich mir aber auch keine Gedanken machen müssen, ob eine Nachricht schon zu viel des Guten ist und ob ich mich mit einem kleinen „Hey, wie war dein Tag?“ schon uninteressant mache. Ich will auch nicht darüber nachdenken, wer öfter zuerst geschrieben hat, damit die Bilanz ausgeglichen ist – weil solche Dinge komplett egal sein sollten. Das vergeudet Zeit und Nerven.

Ich finde, wenn man vor jeder Nachricht darüber nachdenken muss, ob man sich damit ins Aus schießt oder zu viel von sich preis gibt oder ob es in Ordnung ist, dass man schon wieder derjenige ist, der das Gespräch beginnt, dann sollte man den Kontakt überdenken, denn dann läuft etwas grundlegend falsch.

Früher habe ich mir eingeredet, jemand wolle es mir nur nicht zu einfach machen oder habe keine Zeit, wenn derjenige sich nie gemeldet oder selten geantwortet hat. Weil ich eben diese „Willst du was gelten, mach dich selten“-Mentalität eingetrichtert bekommen habe. Ich musste mir dann aber an irgendeinem Punkt eingestehen: Diese Person will sich nicht rar machen. Sie hat einfach kein Interesse an mir. Dann bitte schön sollte sie es einfach sagen.

Mittlerweile habe ich diesbezüglich auch dazu gelernt. Wenn jemand meint, er müsse sich bei mir rar machen, um interessanter zu werden, gehe ich auf Abstand. Warum sollte ich mich für Menschen interessieren, die so offensichtlich kein Interesse an mir haben? Das ist verschwendete Energie. Genau wie das berühmte Rar-Machen selbst. Das fällt nur bei Personen leicht, mit denen man ohnehin keinen Kontakt will. Versuch mal, jemanden zu ignorieren, den du absolut umwerfend findest, und dich dabei gut zu fühlen. Es wird nicht klappen.

Mein Fazit:

Kontakte jeder Art sollten das Leben bereichern und einem kein zusätzliches Kopfzerbrechen bereiten.
Wenn jemand nichts von dir wissen will, wird sich das auch nicht ändern, wenn du dich nie meldest – die Person wird höchstens froh darüber sein, sich nicht mit dir auseinandersetzen zu müssen. Und wenn dich jemand interessant findet, dann wird er das auch ohne diese kindischen Psycho-Spielchen tun, unabhängig davon, wer öfter ein Gespräch begonnen oder wer zuletzt geschrieben hat. Also lasst uns alle mal wieder ein bisschen netter zu den Menschen sein, die wir mögen, und uns bei ihnen melden, wann, wie und so oft wir wollen. Langfristig hat niemand Bock auf Rar-Macher.

Also, meinen Sohn kann ich nur darin unterstützen auf seine Gefühle zu hören und sich zu melden wenn ihm danach ist.

„Wenn Dich jemand will, dann will er es nicht still“

R.E.