Komplimente machen uns glücklich. Egal ob süße, romantische oder lustige Komplimente. Eine nette Bemerkung geht direkt ins Herz und steigert unser Selbstwertgefühl.
Es ist jedoch beachtlich, wie unsicher und abweisend viele Menschen auf Komplimente reagieren und damit umgehen. Welche Bandbreite an Gefühlen zu Feedback in uns ausgelöst werden kann. Vorausgesetzt natürlich, es gibt überhaupt Komplimente, denn unser Kulturkreis ist nicht unbedingt berühmt dafür.
Und es stimmt ja auch: loben, bewundern, Komplimente machen, hat in unserem zwischenmenschlichen Umgang keine Priorität. Daher ist es nur logisch, dass die meisten sich etwas schwer damit tun, Komplimente freudig anzunehmen; ich würde sagen: uns fehlt einfach die Übung. Und genau das bewirkt, dass der Geber beim Komplimente machen es sich beim nächsten Mal zweimal überlegt, ob er überhaupt was sagen soll.
Ein Teufelskreis. „Das ist ja ein schönes Kleid. Steht dir total gut!“ „Findest du? Das ist ganz alt!“ „Toller Mantel!“ „Echt? Der war ganz billig.“ Aha. „Was für eine schöne Tasche!“ „Wirklich? Die wollte ich neulich schon wegwerfen.“ klassische Reaktionen auf Komplimente über unser Aussehen und unseren Geschmack. Erst kommt die Verwunderung, dann die Abwertung der eigenen Wahl. Richtung billig oder alt. Ob das wohl jemand hören möchte? Dabei finde ich hier die Verwunderung über ein Kompliment das eigentlich verwunderliche. Denn mal ehrlich, was sagt das über uns aus? Wollen wir den anderen mitteilen, dass wir etwas gekauft haben, weil es das hässlichste Stück im ganzen Laden war? Natürlich finden wir schön, was wir besitzen, deshalb wollten wir es haben. Deshalb tragen wir es, deshalb haben wir dafür bezahlt. Was fällt uns an einem simplen „Dankeschön!“ denn eigentlich so schwer? Im Coaching höre ich oft: „ Ich will nicht arrogant wirken“ „Lob ist mir unangenehm“ „ich bin doch kein mein Haus, mein Boot, mein Pferd Typ“! „Ich stell mein Licht lieber unter den Scheffel“.
Kann ich alles nachvollziehen, hat aber mit der Bereitschaft, Komplimente annehmen zu wollen, im Grunde nichts zu tun. Wir vermissen hier, glaube ich, etwas. Es geht nicht darum, sich die nächste halbe Stunde im Glanz des Kompliments zu sonnen und eine Olympia reife Siegerehrung einzufordern. Es geht eher um die Grundlagen des angenehmen Miteinanders, allein schon aus Höflichkeit. „Das ist ja ein schöner Mantel!“ „Oh, danke!“ Oder auch mal selbstbewusste: „ja, ne? Den trage ich auch wirklich gerne.“ Noch schwieriger wird es für die meisten, wenn sie ein Kompliment für ihre Expertise, ihr Know-how oder ein Talent bekommen. Wer antwortet dann schon: „ja, das kann ich wirklich gut, vielen Dank.“ oder: „das gefällt mir auch sehr gut an mir.“ Sagen wohl die wenigsten. Möchte ich hier aber mal ganz deutlich als alternative Idee ins Rennen schicken. Sie ahnen nicht, wie leicht das über die Lippen kommen kann und wie groß der Gefallen ist, den sie allein anderen damit tun. Denn von Geschenken haben idealerweise beide Seiten etwas. Es freut sich, der Beschenkte und das fällt großzügig auf den Geber zurück. Ein wunderbarer Spiegeleffekt. Ein ehemaliger Klient, nennen wir ihn Herr Glücklich, hatte die Möglichkeit sich für Komplimente zu bedanken, Jahrzehnte lang nicht in Betracht gezogen. Bei Komplimenten ging er gleich auf Tauchstation, damit wollte er nichts zu tun haben. Doppelt schwierig, weil er im Job unfassbar vieles richtig gemacht hat, emotionale Intelligenz besitzt und seinen Kollegen und Kolleginnen ein großartiger Teamleiter ist. Auch bei den Vorgesetzten war er sehr angesehen. Entsprechend oft bekam er positives Feedback, und genau da begann dann sein Problem. Weil Herr Glücklich nämlich nie gelernt hatte, Komplimente dankbar anzunehmen, fällt er plötzlich nach unten und nach oben negativ auf. „Unsicher, abweisend, unsouverän, geht zu selten in den Lead“ heißt es dann plötzlich über die viel gelobte Führungskraft in unserem Gespräch zur Auftragsklärung. Alle, auch Herr Glücklich stehen vor einem Rätsel, wie es denn zu dieser Wirkung kommen konnte… Das Gute an einer Wirkung ist, dass sie mit der Wahrheit nicht viel zu tun haben muss. Sie beschreibt nicht das Verhalten eines Menschen, sondern was sein Verhalten in uns auslöst. Welchen Eindruck wir von ihm haben, mit anderen Worten: pure Interpretation eines Verhaltens, dass man sich anders eben nicht erklären kann. Daher ist man als Coach auch oft Pfadfinder, auf der Suche nach dem, was wirklich ist. Herr Glücklich macht es mir da eher leicht. Gleich in der ersten Sitzung erzählt er, wie wichtig ihm Bescheidenheit ist. „Mach anderen bloß keine Umstände“, hieß die Losung seiner Kindheit. So haben seine Eltern ihm das als Kind beigebracht. „Antwortet generell mit: „Nein danke“ wenn dir jemand etwas anbietet. Unseretwegen soll sich niemand Umstände machen. Gemachte Komplimente runter spielen gehörte auch dazu. Das Kind sollte sich nichts einbilden auf seine Leistungen. Was sollen denn die Leute denken?! Zwei sehr eindeutige Botschaften also. Mach keine Umstände und bilde dir nichts ein! So oft gehört, so oft erfüllt, dass ich diese Botschaften sich schon vor Jahrzehnten als Glaubenssatz eingebrannt haben. Und so übersetzt eine Instanz in Herrn Glücklich, dass gutes Benehmen einhergeht mit „nichts anzunehmen“und „nicht gut dastehen zu wollen“. Kein Wunder also, dass er sich 40 Jahre später, als Teamleiter bei einem Lob immer noch wegduckt, einsilbig wird, den Blick nicht halten kann und „nein, nein, das war ja eine Teamleistung“ murmelt. Das bewirken die Glaubenssätze im Kopf von einem. Mit einem Appell an die Logik komme ich bei Herrn Glücklich nicht weit. Ich versuche es mit provokativer Intervention. „Eigentlich ja ganz schön unhöflich von Ihnen!“ „Was? Ich? Unhöflich?! Eher das Gegenteil.“ Ich interveniere weiter: „ Doch, gegenüber ihren Teammitgliedern und Vorgesetzten. Wer sein Leben lang die eigenen Wünsche und Gefühle unterordnet, kann gerade diesen Vorwurf überhaupt nicht fassen. Unverschämtheit!  Als ihm später klar wird, was sein Verhalten bei anderen Menschen noch auslösen kann, wird er nachdenklich. Die Menschen, die z.B. ihre Gastgeberrolle lieben, bringt er mit seinem Verhalten möglicherweise um ihre Daseinsberechtigung. Es gibt sicher viele, denen es ganz erhebliche Umstände macht, wenn Ihnen ein Gast keine Umstände macht. Hat Herr Glücklich noch so nie betrachtet, auch nicht, dass es ja Menschen gibt, die tatsächlich gerne einen Kuchen für ihn backen möchten und es lieben, drei verschiedene Sorten Milch anbieten zu können. Dass er diese Menschen mit seinem Verhalten um die Freude am Schenken bringt kann er überhaupt nicht verstehen. Und so wird es dann doch möglich, dass ein uraltes Konstrukt aus Bescheidenheit und Höflichkeit schneller als geahnt ins Wanken gerät. Übertragen auf Komplimente bedeutet das: jemand schenkt uns ein Kompliment („Bitte schön!“), Und ein anderer empfängt das Kompliment („Dankeschön!“). Eben. Wir können es also doch ganz gut, haben wir beim Thema Komplimente oft etwas befremdliches aus diesem Zauberwort gemacht.
Fest steht, wer Komplimente nicht annehmen kann, bringt den Schenker um seine Freude, wirkt unsicher und verbreitet eine merkwürdig abweisende Stimmung. Stellen Sie sich eine Einladung zu einem Geburtstag vor, Sie kommen mit einem liebevoll verpackten Geschenk und das Geburtstagskind sagt: „ist doch nicht nötig! Stelle es gleich hier ab, kannst du nachher dann wieder mitnehmen!“ Na, da wäre was los! Aber seien wir ehrlich, genau das passiert doch, wenn wir ein Kompliment nicht annehmen können. Der andere fühlt sich nicht geschätzt, vermutlich abgelehnt, und sie stehen auch irgendwie blöd da.  Bei Herr Glücklich hat dieser Gedanke jedenfalls Alles ganz überraschend schnell geklärt. Seid er Höflichkeit neu definiert hat, klappt es im Job, und er kommt souverän und stark rüber. Wenn also das nächste Mal jemand sagt: „Sie sehen ja erholt aus. Richtig toll!“ Dann denken Sie vielleicht an Herrn Glücklich und sagen einfach: „Oh, das ist ja schön!  Danke für das Kompliment.!“

Die meisten Menschen mögen Komplimente. Aber die wenigsten wissen damit umzugehen.